Alles begann auf der Eurobike 1997. Auf der Fahrradmesse am Bodensee vor genau 20 Jahren saß ich zum aller ersten Mal auf einem Fahrrad mit Elektromotor. Beim Treten steuerte der Antrieb zusätzliche Watt bei. Geil fühlte sich das an - als wenn ich ein zweites Paar Beine hätte! So ging das Radfahren viel leichter und schneller. Vor allem bergauf. „Das ist wie bei der Servo-Lenkung im Auto, eine automatische Arbeitserleichterung“, erklärten mir die Experten, eine Handvoll Visionäre am Testparcours von ExtraEnergy, auf dem die Messebesucher Test fahren konnten.
Die größte Revolution in der Fahrradgeschichte
Schnell hatte ich die Testflotte von sieben, acht Rädern durchprobiert - alles was das Marktangebot in Europa damals hergab. Das herrliche Fahrgefühl war den Bikes rein äußerlich allerdings nicht anzusehen. Kein Wunder, waren sie als „Oma-Shopper“ verschrien. Die gute Nachricht: Wir standen buchstäblich vor der vielleicht größten Revolution der heute 200-jährigen Fahrradgeschichte - der Digitalisierung des Zweirades. Mit dieser Erkenntnis wurde mein Studi-Job schnell zu einer viel größeren und erfüllenden Aufgabe. Sie begann auf jener Eurobike damit, die Uromas des heutigen E-Bikes zum Probefahren anzupreisen.
Ein langer Weg
ExtraEnergy war die erste Organisation in Europa, die solche Teststrecken zum Probefahren anbot und die erste Institution weltweit, die Elektroräder unter gleichen Bedingungen testete, um dem Kunden vergleichbare Werte zu liefern. Gründer Hannes Neupert und ich saßen schon in der Schule an einem Tisch. Dass ich allerdings selbst Mittäter einer neuen Mobilität werden würde, ließ ich mir damals noch nicht träumen.
Dem Rückenwind, der uns heute das Radfahren so wunderbar erleichtert, ging erstmal viel Gegenwind voraus. Noch heute sehe ich die neugierigen Blicke der meist männlichen Messebesucher vor mir, die sich - aus reiner Nächstenliebe - auf eine Probefahrt einließen: “So ein Fahrrad mit Hilfsmotor wäre doch was für meine Mutter”. Zurück kamen sie alle mit einem breiten Grinsen, das jäh verschwand als sie sich besonnen das Bike ja - äh - für ihre Mutter getestet zu haben. Doch das Leuchten in den Augen blieb. Und machte mir Mut.
Es fehlte ein Wort
Meine größte Herausforderung war damals, genau dieses Glücksgefühl beim Treten so zu beschreiben, dass man es auch ohne Probefahrt verstehen konnte. Es wurden immer Monstersätze. „E-Bike” sprach ich am besten gar nicht aus. Erstens verstand man darunter ein Fahrrad mit Elektromotor, bei dem man nicht treten musste, also ähnlich wie beim Moped. Zweitens hatte „E-Bike“ einen schlechten Ruf und ich wollte die mutigen Interessenten ja nicht sofort in die Flucht schlagen, gebrandmarkt als unsportlich, uncool, unsexy …
Aus Japan, wo das Pedelec übrigens herkommt, stammt auch die von Yamaha eingeführte Bezeichnung „Power Assist System (PAS)“, die auf Deutsch etwa Tretunterstützung bedeutet. Allerdings konnte der Name das Dilemma hierzulande auch nicht lösen, denn keiner wollte sich gleich als hilfsbedürftig outen. Es fehlte ein Wort …
Da kam mir mein Sprachstudium an der Universität in Heidelberg zu Gute: das Thema für meine Diplomarbeit stand nun fest. Und das Ergebnis war das Wort „Pedelec“ - eine Abkürzung aus Pedal, elektrisch und dem englischen Wort für Fahrrad, cycle. Damit wollte ich allen, die mit mir im selben Sattel saßen, die Arbeit erleichtern. Eindeutig musste das Wort der Wahl also sein und international. Schon damals war klar: Pedelecs hatten das Zeug zur eigenen Fahrzeugkategorie, die einen eigenen, neutralen Namen brauchte.
Als ich „Pedelec“ 1999 mit Hilfe wichtiger Branchenmedien und Publikumszeitschriften
(Bike Europe, Japan Cycle Press, ExtraEnergy, aktivRadfahren …) veröffentlichte, begann meine Laufbahn als Journalistin.
Aufstieg durch Technik, Klima und Medien
Zum Durchbruch der Pedelecs in Europa gehörte natürlich mehr. Erst wurden Antrieb und Batterie am Fahrrad so versteckt, dass sie nicht mehr auffielen und sich die frühen Nutzer - weitgehend ältere Menschen - für ihr Hilfsmotörchen nicht mehr schämen mussten. Dann kann die Lithium-Batterie und mit ihr kleinere und leichtere Akkus mit mehr Leistung. Zur Trendwende führten letztendlich steigende Benzinpreise, die Wirtschaftskrise 2008 und der gescheiterte Klimagipfel von Kopenhagen. Vor diesem Hintergrund griffen die Medien das Thema Elektrofahrrad positiv auf und machten es einem immer breiteren Publikum zugänglich. Damit halfen sie auch, das Image der „Oma-Bikes“ aufzupolieren.
Heute redet jeder von E-Bikes, Scham hat sich in Stolz verwandelt und ein Elektromotor findet sich sogar am coolsten Fahrrad, sei es ein City-Flitzer, Mountainbike oder Rennrad. „E-Bike“ hat sich als Oberbegriff für Elektro-Zweiräder aller Art eingebürgert. Meistens bezieht man sich dabei auf die 25 km/h schnellen Pedelecs, die rund 98% des deutschen Marktes ausmachen. Wer genauer sein möchte, nutzt „Pedelec“.
Von Flottentests zu fernen Zielen
Als vor fast 10 Jahren die ersten E-Mountainbikes eine neue Ära einleuteten war für mich die Zeit gekommen, mir einen Lebenstraum zu erfüllen. Ich wollte schon immer die Welt bereisen und entdeckte die sportlichen Pedelecs als ideale Reisefahrzeuge. Nach all den Jahren intensiver Tests, spannender Reisen und Recherchen in aller Herren Länder, sowie dem Aufbau der Print- und Online-Redaktion, die ich bei ExtraEnergy geleitet hatte, fiel 2011 der Startschuss für “Pedelec Adventures”.
Seither habe ich mit Pedelecs unterschiedlicher Marken - mal mit Hinterradantrieb mal mit Mittelmotor - über 12.000 Kilometer in Europa, Asien, Afrika und Nord-Amerika zurückgelegt. In Wüste, Bergen, Steppe und Eis traf ich in Begleitung großartiger Reisegefährte(n) auf die unterschiedlichsten Herausforderungen.
In Marokko und der Mongolei zogen wir Anhänger, die mit Solarzellen ausgestattet waren, um fernab jeglicher Steckdosen die Batterien von Fahrrädern, Kameras und sonstiger elektronischer Begleiter aufzuladen.
In Island stellten wir uns inzwischen zu viert über 4.000 Kilometern den Elementen des Nordens als wir in weißen Polarnächten durch vulkanische Traumlandschaften reisten. Während Feuer und Eis die Iceland Challenge prägten, stand die Sand to Snow Tour von der Pazifikküste Kaliforniens bis ins Herz Colorados letztes Jahr ganz im Zeichen von Sand und Schnee. Einen noch ganz jungen Markt kennenzulernen und zu inspirieren stand als Idee hinter dem bis Dato längsten Pedelec Adventure.
Mit der E-Bike Afrika Tour, die in Glasgow startete, nach Paris zur Klimakonferenz COP21 führte und weiter bis nach Cape Town in Südafrika geplant ist, hat meine Arbeit eine neue Dimension gewonnen - den Klimaschutz, zu dem diese Tour aufrufen soll.
Alle Grenzen, die ich mit E-Rädern bisher kannte, sprengte jäh ein 4KW-starkes Luxus-Powerbike aus Holland, das wir im Rahmen unseres Berlin Trefected Projekts in meiner Wahlheimat testeten.
Auf zu neuen Horizonten!
Was mich auf meinen Pedelec-Trips immer wieder aufs neue fasziniert: Im wahrsten Sinne des Wortes neue Horizonte zu entdecken. Die ganz persönlichen und jene, die uns die Natur bietet.
Diese einzigartigen Erlebnisse und Erfahrungen teile ich in meinen Vorträgen, Artikeln, Videos und Posts und freue mich wenn ich Euch meine besten Tipp für Eure eigene E-Bike Reise mit auf den Weg geben kann. In Zukunft mehr davon!
Es müssen ja nicht immer Extrem-Touren an fernen Traum-Destinationen sein. Manchmal beginnt das Abenteuer schon vor der eigenen Haustür! Oder auf der nächsten Eurobike …
Egal wo, Ihr werdet es lieben!
An dieser Stelle möchte ich allen herzlich danken, die mich auf meiner bisherigen Reise durch die E-Bike-Welt begleitet haben. Ich freue mich auf die nächsten 20 Jahre mit euch! Wie der Rückblick 2037 wohl aussehen wird?
Herzlich,
Eure Susanne
BESUCHT MICH AUF DER EUROBIKE!
Donnerstag, 31. August, 17:00, Bühne Foyer Ost
Vortrag für Fachbesucher (deutsch)
Samstag, 2. September, 15:00, Bühne Foyer Ost
Reisereportage für alle Besucher (deutsch)